Storytelling als Instrument für das Online und Content Marketing, aber auch für den crossmedialen Marketing-Mix, ist derzeit in aller Munde. Dabei ist es eigentlich ein alter Hut: Gute Geschichten hört und liest man gerne und man hat sie schon immer gerne weitererzählt. Heute, im Zeitalter des Teilens, nennt man das Weitersagen von empfehlenswerten Unternehmens- und Produktgeschichten im Online Marketing Sharing Stories. Doch warum teilen sich gute Geschichten besser und häufiger als nackte Fakten? Wieso sind lange Geschichten kurzweiliger als kompakte Daten und was sind die Zutaten für gutes Storytelling oder gar zur Story of your life?
Verstanden? Geschichten machen Informationen begreiflich
Gerade in unserem Informationszeitalter wird es immer schwieriger die Menge an Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und korrekt einzuordnen. Die Antwort auf die Fragen, was genau die Intention des Verfassers eines Textes ist oder für was ein dargestelltes Unternehmen steht, lässt sich am besten in Form von Geschichten beantworten. Warum? Weil Geschichten trockenen Fakten durch ihren unterhaltenden Charakter sowie durch Emotionen eine nachhaltige Wirkung verschaffen. Durch das anschauliche und verständliche Erzählen können sich Leser oder Zuhörer im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild von den geschilderten Begebenheiten machen. Abstrakte Begrifflichkeiten werden durch Beispiele, eine bildhafte Sprache oder durch Geschichten von handelnden Personen zu nachvollziehbaren Ereignissen. Und: Aufgestellte Thesen wie beispielsweise „Wir übernehmen Verantwortung“ werden durch daran anknüpfende Geschichten über die Hürden, die das Unternehmen überwunden hat, um den Unternehmens-Standort zu sichern, glaubwürdig. Und wer würde nach so einer berührenden Geschichte um den Kampf des Erhalts von Arbeitsplätzen nicht bei diesem Unternehmen kaufen wollen – um Teil dieser Story zu werden und um die Zukunft der Menschen in diesem Unternehmen zu sichern?
Ich bin stolz! Storytelling als perfekte Verbindung
Dieter Georg Herbst schreibt in seinem Fachbuch „Storytelling 3., überarbeitete Auflage auf S. 27/28 hierzu „… das Storytelling … vermittelt Schlüsselinformationen über das Unternehmen in erzählerischer Form. Es geht nicht vorrangig darum, möglichst viele Informationen zu vermitteln, sondern anhand von Mustern, den internen und externen Bezugsgruppen zu zeigen, wofür das Unternehmen steht, woher es kommt, wo es steht, wohin es strebt, was Denken, Fühlen und Handeln treibt und welche einzigartige Belohnung es seinen Bezugsgruppen bietet.“ Dieser Ansatz zeigt auch deutlich auf, dass Storytelling nicht nur für Kunden ein ausgezeichnetes Instrument ist, um sie zu gewinnen und zu binden. Auch Mitarbeitern und Bewerbern werden durch Storytelling viele gute Gründe geliefert, sich für ein Unternehmen zu interessieren und sich damit zu identifizieren. Nicht zuletzt kann Storytelling Mitarbeiter auch motivieren. Zum Beispiel dazu, das nächste Mal mit dem eigenen Team noch besser zu sein als im diesjährigen Vergleich, um dann eine noch schönere Berichterstattung in den internen Kommunikationsmedien zu erhalten. Sie sehen: Die systematische Nutzung von Storytelling in Imagekampagnen nach außen wie auch in internen Mitarbeiterzeitschriften sollte fester Bestandteil des Content Marketings sein.
Weißt du noch? Starke Geschichten, starke Wirkung
Je authentischer und ansprechender eine Geschichte ist, desto länger erinnern wir uns an sie. Ansprechend werden Geschichten natürlich durch eine gute Schreibe, aber vor allem auch durch deren Authentizität. Das bedeutet: Ist eine Geschichte glaubhaft, können Menschen diese nachvollziehen, sich im besten Falle sogar mit ihr identifizieren. Im Ergebnis erinnern wir uns lange und gut an diese Geschichte – und eben diese gute Erinnerung rufen wir ganz automatisch wieder ab, wenn wir auch Jahre später erneut mit einem Unternehmen, der Marke oder dem Produkt in Berührung kommen. Bestes Beispiel hierfür sind Melodien, mit denen wir ganz bestimmte positive Ereignisse verbinden. Gerade aber, weil wir diese Erinnerungen meist dauerhaft und unbewusst mit bestimmten Geschichten verbinden, müssen Geschichten gut geplant und inhaltlich sorgfältig aufbereitet werden. Ein Schnellschuss kann auf lange Zeit auch den gegenteiligen Effekt nach sich ziehen. Denn ob positiv oder negativ: Meist gibt es keine zweite Chance für den ersten Eindruck.
Trau dich! Storytelling braucht Mut
Um eine gute Geschichte schreiben und kommunizieren zu können, muss sie erst einmal da sein. Das bedeutet: Der Interviewer muss den Mut haben, eine Story durch einzigartige, konkrete Fragen oder durch einen Perspektivenwechsel erst einmal zu entdecken. Und der Interviewpartner muss den Mut haben, auch einmal ganz offen aus dem Nähkästchen zu plaudern. Nicht immer werden beide Voraussetzungen erfüllt. Diese Stories bleiben uns dann auch meist nicht in Erinnerung oder werden erst gar nicht gelesen. Heute, wo wir von Informationen überflutet werden, ist es das Besondere, das haften bleibt. Doch Achtung: Das Besondere muss hierbei nicht zwingend etwas Spektakuläres sein. Aber, es muss etwas sein, was man so noch nicht gehört hat, was man immer schon einmal wissen wollte, was authentisch ist, uns berührt oder begeistert. Sie sehen: Die Basis für erfolgreiches Storytelling im Marketing sind eine offene Firmenkultur und ein scharfer, kreativer Blick von außen.
Ein Beispiel: Chef, mal anders
Ich hatte den Auftrag für ein Firmenmagazin, welches in ganz Bayern als Zeitungsbeilage verteilt werden sollte. Hierfür sollten auch einige langjährige Mitarbeiter, die Jubilare, interviewt werden. Tolle Sache, alle haben mitgemacht und schöne Geschichten sind dabei entstanden. Doch ein Jubilar zierte sich etwas: der Firmeninhaber selbst, der seinen runden Geburtstag am Erscheinungstag der Zeitschrift feierte. Um ihn als Unternehmer nicht in gleicher Reihe mit seinen Angestellten darzustellen, hatte ich die Idee, seine Kinder, die mittlerweile auch im Familienunternehmen tätig sind, zu interviewen. Damit wollte ich den Lesern einen ganz besonderen Einblick gewähren: In die Familie als Familie und als Unternehmen. Und ich wollte den Jubilar mal ganz anderszeigen: nicht nur als Chef, sondern als Vater.
Die ganze Sache wäre beinahe schief gelaufen. Zunächst verweigerte ein Teil der Kinder das Interview. Als es schließlich doch stattfand, waren sie alle gelöst und plauderten sehr entspannt. Die erste Reaktion auf den fertigen Text war auch sehr positiv. Eine Woche später jedoch erreichte mich die Nachricht, das Interview sei auf Verlangen der Kinder aus der Zeitschrift rausgeflogen: ohne offizielle Angabe von Gründen. Erst die Rücksprache mit dem Chef holte das Interview wieder zurück ins Magazin. Dafür mussten die Namen der Kinder gestrichen werden. Fotos von ihnen gab’s auch keine. Und dennoch: Diese Geschichte war die Story, über die man geredet hat. Beinahe wäre sie nicht erschienen: Aus Mangel an Offenheit. Aus Angst vor einer anderen Art der Öffentlichkeit.
Zusammengefasst: Das braucht Storytelling
Wer sich für Storytelling im Content Marketing entscheidet, braucht eine offene Firmenkultur, die als solche im Unternehmen auch gelebt wird. Und zwar von oben nach unten. Man braucht die Neugier, auch die kleinste Geschichte für sich zu entdecken, Mitarbeiter, die dabei mitmachen und natürlich Autoren, die diese Geschichten in Worte fassen oder Regisseure, die diese Stories in Filmen erzählen. All dies ist ohne eine Content Strategie oder einen Redaktionsplan für das Storytelling nicht möglich. Denn schließlich sollen sich die vielen kleinen Geschichten immer auch zu einer großen Story zusammenfügen. Und die sollte rund sein, glaubwürdig und erinnerungswürdig.