Eigentlich heikel, wenn man sich selber kontrollieren will. Dass es funktioniert, zeigen ausgerechnet die, die dafür bekannt sind, auch mal Grenzen zu überschreiten: die Werber. Wie sie das machen? Mit einer eigens geschaffenen Kontrollinstanz: dem Deutschen Werberat. Ihr Druckmittel? Imageverlust durch öffentliche Rügen!
Der Deutsche Werberat
1972 haben werbende Unternehmen, Medien und Agenturen mit dem Deutschen Werberat eine eigene Kontrollinstanz ins Leben gerufen. Unter strenger Beobachtung des Verbrauchers, unterstützt durch den Werberats, stehen seither nicht nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Werbung, sondern auch ihre Inhalte. So soll gewährleistet werden, dass Werbung nicht diskriminiert, nicht in die Irre führt und auch keine Jugend gefährdenden Inhalte verbreitet.
Zur Orientierung hat der Werberat Verhaltensregeln für Werbetreibende entworfen. Gegliedert sind diese Verhaltensregeln in die Bereiche: Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation, Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen, Kinder und Jugendliche, Lebensmittel, alkoholhaltige Getränke, Glücksspiele, unfallriskante Bildmotive, Reifenwerbung, Verkehrsgeräusche und Werbung mit Prominenten. Hintergrund des Regelwerks: „Nicht alles, was rechtlich zulässig wäre, ist auch moralisch vertretbar.“ (www.werberat.de/verhaltensregeln)
Aufmerksamkeit versus Achtsamkeit
Gerade in der Werbung ging und gehe es primär darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Im Prinzip sei das OK, aber eben nur, solange sie moralisch zumutbar sei. Selbstverständlich wird bei einer derartigen Beurteilung auch der moralische Wandel berücksichtigt: „Zugestanden werden muss der Werbung in diesem und auch in anderen Bereichen, dass sie im ‚Heute‘ lebt, dass sie die Sprache der Zeit spricht, dass sie Lebensformen und Symbole der Gegenwart aufnimmt. Übertreibungen, Provokation, das Spielen mit Klischees sind zulässige Stilmittel in allen Bereichen der Gesellschaft – auch in der Werbung.“, so Hans-Henning Wiegmann, Vorsitzender des Deutschen Werberats. In der Pressemittelung vom 5. März 2015 heißt es dazu: „Wenn aber schutzwürdige Belange von Bürgern verletzt sind, wird der Deutsche Werberat auch in Zukunft den Beschwerdeführern zur Seite stehen und für einen Stopp der Werbung sorgen. Ebenso wird sich der Werberat bei überzogenen Protesten von Werbekritikern, zum Beispiel bei gesellschaftspolitischen Extrempositionen, schützend vor das von Kritik betroffene Unternehmen stellen.“
Wer eine Kampagne, ein Plakat oder einen Werbespot als unzumutbar empfindet, sei es aus Gründen rücksichtsloser Inhalte gegenüber bestimmten Personengruppen oder weil darin Gewalt verherrlicht wird, der kann sich an den Deutschen Werberat wenden und eine Beschwerde einlegen – per Telefon, Fax, E-Mail, per Post oder mit Hilfe eines Beschwerdeformulars. Anonymen Beschwerden wird nicht nachgegangen.
Hat man sich allerdings korrekt beschwert, dann prüft der Werberat die Beschwerde – auch mit Unterstützung der jeweils zuständigen staatlichen Stellen wie der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, dem Verein für lautere Heilmittelwerbung, dem Schutzverband der Spirituosenindustrie, der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien oder der Kommission für Jugendmedienschutz. Bevor diese Steine jedoch ins Rollen gebracht werden, wird eine Beschwerde zunächst an das werbende Unternehmen zur Stellungnahme weitergeleitet.
Reue oder Rügen?
Zieht das Unternehmen daraufhin seine Werbung zurück oder ändert beanstandete Passagen, ist das Verfahren beendet. Tut es das nicht, so wird das Unternehmen öffentlich für die Werbeaktion gerügt. Alleine diese Drohung scheint zu wirken: Die wenigsten Unternehmen lassen es darauf ankommen. Von insgesamt 566 zu überprüfenden Werbungen wurden im Jahr 2014 nur 14 Unternehmen öffentlich gerügt.
Nachhaltiger Effekt: Die Chronik der gerügten Unternehmen ist mit vollständiger Nennung der Unternehmen auch noch Jahre nach der zu beanstandenden Kampagne öffentlich einzusehen, auf der Website des Werberats: www.werberat.de/ruegen.
Spitzenreiter der Beschwerden ist auch im Zeitalter des Gender-Mainstreams immer noch der Bereich Herabwürdigung und Diskriminierung von Frauen: „…2014 betraf gut die Hälfte aller Fälle (198 Werbemaßnahmen) diesen Vorwurf, 2013 waren es noch 154 Fälle gewesen.“